Tageslicht gehört ins Zentrum der Bauplanung

Tageslicht ist nicht nur ein angenehmes Extra in Gebäuden, sondern ein wesentlicher Faktor für Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit. Dennoch wird es in der Baupraxis häufig unterschätzt. Viele Planer und Bauherren stellen sich bis heute die Frage: Ist Tageslicht in Deutschland Pflicht? Dabei lautet die Antwort ganz klar: Ja – vor allem wenn der Mensch im Mittelpunkt der Architektur stehen soll. Schon heute gibt es deshalb gesetzliche Regelungen, die eine ausreichende Versorgung mit natürlichem Licht vorschreiben. Doch die Realität zeigt, dass zwischen den theoretischen Vorgaben und der praktischen Umsetzung eine deutliche Lücke klafft.
Der Fachverband Tageslicht und Rauchschutz e.V. (FVLR) setzt sich deshalb mit Nachdruck für eine stärkere Verankerung des Themas in der Baupraxis ein. Damit rückt er die Bedeutung von Tageslicht – insbesondere über Flachdächer – wieder ins Zentrum der Diskussion. Gerade hier haben Lichtkuppeln, Lichtbänder oder Flachdach Fenster das Potenzial, ganze Gebäudebereiche mit wertvollem Tageslicht zu versorgen und das im Rahmen der üblichen Betriebszeiten ganz ohne Kunstlicht und weitere Energiefresser. Wir sprechen mit Ulrich Koch, Geschäftsführer des FVLR, über dieses Thema.
Die Wirkung von Tageslicht: Warum ist Tageslicht wichtig?
Natürliches Tageslicht erfüllt eine Vielzahl von Funktionen, die weit über die reine Helligkeit hinausgehen. Es sorgt für eine gute visuelle Wahrnehmung, erleichtert die Erfüllung von Sehaufgaben und unterstützt insbesondere ältere Menschen mit höherem Lichtbedarf. Doch das ist nur eine Facette.
„Nichtvisuelle, biologisch wirksame Lichtwirkungen müssen verstärkt berücksichtigt und geplant werden. Sie wirken auf den circadianen Rhythmus und können die Leistungsfähigkeit am Tag sowie guten Schlaf in der Nacht unterstützen“, erklärt Ulrich Koch. Auch weitere Ebenen gilt es seiner Meinung nach zu berücksichtigen.
Natürliches Tageslicht hat somit eine weitreichende Wirkung:
- Visuell: Tageslicht schafft optimale Sehbedingungen, erleichtert die Erkennbarkeit und unterstützt die Erfüllung visueller Aufgaben gemäß europäischer Normen wie der DIN EN 12464-1.
- Emotional: Tageslicht fördert Akzeptanz, Zufriedenheit und Wohlbefinden, indem es Räume lebendig und angenehm wirken lässt.
- Biologisch: Tageslicht reguliert zudem den circadianen Rhythmus, steigert die Leistungsfähigkeit am Tag und sorgt für erholsamen Schlaf in der Nacht. Das wirkt sich stark auf unsere Gesundheit aus und kann sogar Krankheiten verhindern.
- Zielgerichtet: Natürliches Licht beeinflusst die Architektur enorm und kann bewusst eingesetzt werden, um eine positive Wirkung auf den Menschen zu erzielen – angepasst an Erwartungen, Nutzung und Raumsituation.
- Langfristig: Tageslicht wirkt nachhaltig positiv auf Gesundheit, Produktivität und Energieeffizienz von Gebäuden und ihren Nutzern.

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Gesetzliche Grundlagen: Ist Tageslicht in Deutschland Pflicht?
In Deutschland existieren bereits verbindliche gesetzliche Vorgaben, die den Einsatz von Tageslicht in Gebäuden regeln. Die Musterbauordnung (MBO) schreibt beispielsweise vor, dass Aufenthaltsräume „ausreichend belichtet“ sein müssen. Dafür ist eine Fensterfläche in der Größe von mindestens einem Achtel der Raumfläche vorgesehen. Auch im Gebäudeenergiegesetz (GEG) ist Tageslicht verankert: §14 legt fest, dass der sommerliche Wärmeschutz die Tageslichtversorgung nicht einschränken darf. Damit ist klar: Tageslicht ist in der Baupraxis kein „Kann“, sondern ein „Muss“ – auch wenn die praktische Umsetzung noch viel Spielraum nach oben hat.
Ist Tageslicht am Arbeitsplatz Pflicht?
Vor allem am Arbeitsplatz ist Tageslicht unerlässlich – egal ob Büro oder Industriehalle. Die rechtliche Grundlage dafür findet sich in der Arbeitsstättenverordnung (ASR A3.4). Sie schreibt vor, dass Arbeitsräume ausreichend mit Tageslicht versorgt werden müssen. Dafür gibt es zwei Nachweismöglichkeiten: Entweder über den Tageslichtquotienten – hierbei werden Oberlichter mit einer Anforderung von mindestens vier Prozent berücksichtigt – oder über das Verhältnis von lichtdurchlässiger Fläche zur Grundfläche des Raumes. In der Praxis ergibt sich daraus eine Richtgröße von rund zehn Prozent Tageslichtfläche, die jedoch in vielen Projekten nicht eingehalten wird – doch laut Koch immer relevanter wird.
Ulrich Koch beschreibt die Situation so: „Tageslicht ist das, was übrigbleibt bei der Diskussion um g-Wert, U-Wert, sommerlicher Wärmeschutz und Kosteneinsparung. Teilweise werden nicht einmal die Anforderungen an die Beleuchtung mit natürlichem Tageslicht erreicht, die im Minimum für die visuelle Wirkung erforderlich sind.“ Tatsachen, die vor allem die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden gefährden.

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In welchen Ländern ist Tageslicht Pflicht?

Nicht nur in Deutschland ist natürliches Licht ein wesentlicher architektonischer Faktor. Auch in vielen anderen Ländern gibt es strenge Anforderungen. Besonders Dänemark hebt sich hervor: Dort schreibt die Umsetzung der EN 17037 vor, dass mindestens 300 Lux auf 50 % der Fläche über 50 % der Sonnenstunden erreicht werden müssen.
„Natürliches Tageslicht gehört wie beispielsweise die Luft zum Atmen und das Trinkwasser zu den ‚Lebensmitteln‘. Tageslicht ist für das Leben der Menschen zwingend erforderlich“, macht Ulrich Koch deutlich und betont, dass die Bedeutung des natürlichen Lichts dennoch unterschätzt wird.
Deutschland hat somit zwar klare gesetzliche Grundlagen, liegt bei der konsequenten Anwendung aber hinter Ländern wie Dänemark zurück. Für Architekten, Planer und Bauherren eröffnet das jedoch die Chance, schon heute überdurchschnittliche Standards zu setzen und Tageslicht bewusst als Qualitätsmerkmal ihrer Gebäude zu nutzen.
Realität auf den Baustellen: Tageslicht im Schatten von Kunstlicht
Obwohl gesetzlich klare Vorgaben existieren, zeigt sich in der Praxis also ein anderes Bild. Bei vielen Bauprojekten wird Tageslicht noch immer vernachlässigt und Planer setzen stattdessen auf künstliche Beleuchtung. Moderne LED-Systeme übernehmen zunehmend Funktionen, die eigentlich dem natürlichen Tageslicht vorbehalten sind.
Ulrich Koch kritisiert diese Entwicklung deutlich: „Die Kollegen aus dem Kunstlichtsektor haben nahezu vollständig die Beleuchtung mit Tageslicht auf ihre LED-Technik übertragen. Gleichzeitig wird jedoch die Bedeutung des natürlichen Tageslichts für die physische und psychische Gesundheit der Menschen immer deutlicher.“ Dabei verweist er auch auf das Beleuchtungskonzept Human Centric Lighting. Kunstlicht wird hier so eingesetzt, um den natürlichen Verlauf des Tageslichts nachzuahmen, der unseren Körper maßgeblich beeinflusst.
Damit zeigt sich ein Widerspruch: Während künstliche Lichtkonzepte wie HCL die positiven Effekte von Tageslicht nachahmen, bleibt die tatsächliche Nutzung von natürlichem Licht in der Baupraxis oft auf der Strecke. Das Ergebnis sind Gebäude, die technisch auf modernstem Stand sind, aber die Chancen des kostenlosen und gesundheitsfördernden Tageslichts nicht ausschöpfen – denn Kunstlicht ist nicht gleich Tageslicht.

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Herausforderungen für die Tageslichtplanung

Eine weitere große Hürde ist der Kampf um die Dachflächen. Denn Tageslichtlösungen wie Oberlichter oder Flachdach Fenster werden als Konkurrenten großflächiger Photovoltaikanlagen gesehen. Hier prallen unterschiedliche Interessen aufeinander: „Gerade bei den großflächigen PV-Anlagen ist es sehr häufig nicht der Betreiber oder Bauherr, der die Anlage errichten will, sondern ein Investor. Dieser ist an einer möglichst hohen Rendite für seine Investition interessiert. Doch auch der Bauherr oder Betreiber des Gebäudes sieht in den meisten Fällen nur die Einnahmen durch Pacht oder Miete für die Dachfläche, die monatlich zu verbuchen sind“, erklärt Koch. „Lichtkuppeln und Lichtbänder bringen zwar keine monatlichen Einnahmen, reduzieren aber schon immer Kosten und tragen zur Energieeffizienz eines Gebäudes bei.
Das ist ihnen in der Regel aber nicht bewusst.“ Tageslicht lohnt sich demnach auch wirtschaftlich dank reduzierter Energiekosten, höherer Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter oder der Steigerung des Immobilienwertes.
Auch der Wärmeschutz wird oft als Vorwand genannt, um weniger Tageslicht hintenanzustellen. Dabei müssen sich diese beiden Komponenten nicht ausschließen, erklärt Ulrich Koch: „Zu beachten ist, dass eventuell zusätzliche Maßnahmen zum sommerlichen Wärmeschutz wie regelbare Verschattungen oder eine Lüftungsanlage zur Nachauskühlung erforderlich sind. Das GEG gibt allerdings vor, dass die Anforderungen zum sommerlichen Wärmeschutz die Tageslichtversorgung nicht einschränken dürfen.“
Zukunftsweisende Projekte zeigen auch jetzt schon, wie sich Tageslicht, Energiegewinnung und Wärmeschutz kombinieren lassen. Die sanierte Eggenhalle in München erhielt im Zuge der Gebäudeumnutzung ein LAMILUX Glasdach PR60 mit integrierten Photovoltaik-Modulen. Das sorgt für eine einzigartige Atmosphäre sowie für eine nachhaltige Gebäudenutzung.
Tageslicht als unverzichtbare Bauaufgabe

In den vergangenen Jahren hat sich in der Baupraxis laut Koch ein Trend gezeigt: Lichtkuppeln, Lichtbänder und andere Tageslichtsysteme werden zwar verbaut, doch ihre eigentliche Aufgabe – das großzügige Einbringen von Tageslicht – ist in vielen Fällen in den Hintergrund getreten. „In der Regel ist das Tageslicht oder auch der Lichtdurchlass kein kommuniziertes Kriterium in der Argumentation zum Kunden. In vielen Fällen werden Aspekte argumentiert, die eigentlich Mängel ausgleichen im Vergleich zum geschlossenen Dach. Die eigentliche Funktion ‚Tageslichtversorgung‘ ist dabei in den vergangenen Jahren verloren gegangen“, erklärt Ulrich Koch, Geschäftsführer des FVLR.
„Aktuell sehe ich demnach mehr Lücken in der Anwendung und der Umsetzung als in der fehlenden Gesetzeslage. Wenn wir die bestehenden Vorgaben umsetzen, wäre das schon ein Fortschritt“, so Koch. Genau hier setzt Ulrich Koch mit dem Fachverband Tageslicht und Rauchschutz an: Mit wissenschaftlich fundierter Forschungs- und Informationsarbeit wendet er sich an Architekten, Planer und Ingenieure, um das Bewusstsein für den Wert von Tageslicht zu schärfen. Über Publikationen, Studien und Fachveranstaltungen verfolgt der FVLR das Ziel, Tageslicht als unverzichtbares Qualitätsmerkmal im Bauen neu zu verankern.
Für die Zukunft wünscht sich Ulrich Koch, „dass die Baubranche die Chancen nutzt, die sich aus den Veränderungen hinsichtlich Nachhaltigkeit, möglichen Einschränkungen durch Begrenzung der natürlichen Ressourcen und Energieeinsparungen ergeben.“
Tageslicht ist demnach kein dekoratives Extra, sondern ein elementarer Bestandteil gesunder, nachhaltiger und wirtschaftlich sinnvoller Architektur. Die konsequente Umsetzung bestehender Vorgaben ist daher nicht nur Pflicht, sondern vor allem eine Chance – für Planer, Bauherren und die Nutzer von Gebäuden gleichermaßen.

Unsere Tageslichtsysteme
Egal ob Flachdach Fenster, Lichtkuppel, Glasdach oder Lichtband – LAMILUX bietet ein breites Portfolio an Tageslichtsystemen. Mit echter Made-in-Germany-Qualität schaffen sie langlebige Lösungen für das Flachdach kombiniert mit ästhetischem Design.