Lichtmangel und seine Symptome


Lichtmangel Symptome können vielfältig sein: Müdigkeit, Depression oder Antriebslosigkeit – Menschen spüren den Lichtmangel im Winter besonders stark. Woran das liegt und wie man dagegen vorgeht, verrät Victoria Bachmann im Interview.


Lesezeit: 7 Min.

Lichtmangel: Wenn zu wenig Tageslicht krank macht

Lichtmangel schlägt unmittelbar auf die Gesundheit - vor allem auf unsere Psyche. Denn Tageslicht führt dazu, dass wir gute Laune haben, uns wach und energiegeladen fühlen. Es verbessert unsere Schlafqualität, reduziert Stress und Angst und fördert unsere körperliche Gesundheit. Ein Tageslichtmangel wiederum, schwächt unser Immunsystem und führt auf Dauer zu psychischen Krankheiten, wie Depression durch Lichtmangel.

Weshalb das so ist, erklärt Psychologin und Psychotherapeutin Viktoria Bachmann im Interview.
 

Tageslichtmangel Symptome: Warum Licht unseren Tag-Nacht-Rhythmus steuert

Was genau passiert in unserem Körper, wenn die Sonne scheint?

Da passiert tatsächlich einiges, unter anderem die Regulierung des circadianen Rhythmus, also des Schlaf-Wach-Zyklus, welcher durch Licht gesteuert wird. Licht ist, neben der „inneren Uhr“, ein externer Taktgeber. Das Ganze funktioniert wie folgt: Lichtsignale werden von der Retina, der Netzhaut des Auges, wahrgenommen und an den suprachiasmatischen Nukleus im Gehirn weitergeleitet. Nach aktuellen Erkenntnissen ist diese Hirnstruktur der Hauptregulator unserer biologischen Uhr. Die Exposition gegenüber natürlichem Tageslicht hilft, den circadianen Rhythmus zu stabilisieren, was zu besseren Schlafmustern und allgemeinem Wohlbefinden führt. Und zwar nicht nur psychischem, sondern auch physischem: Wir wissen, dass der gestörte Schlaf zur Entstehung von Krankheiten wie Diabetes, Demenz, Übergewicht etc. führen kann. Tageslicht unterdrückt die Produktion von Melatonin, einem Hormon, das bei Dunkelheit freigesetzt wird und uns auf Schlaf vorbereitet.

Mehr Energie durch Sonne: Wie Lichtmangel Depression und Antriebslosigkeit begünstigt

Aber das war noch nicht alles, oder?

Nein, denn Sonnenlicht stimuliert außerdem die Freisetzung von Serotonin im Gehirn, einem Neurotransmitter, der das Gefühl von Wohlbefinden und Glück fördert. Höhere Serotoninspiegel verbessern die Stimmung, erhöhen das Energieniveau und helfen, Depressionen und Angstzustände zu reduzieren.

Des Weiteren begünstigt Tageslicht die Produktion von Endorphinen, also körpereigenen Substanzen, die als Neurotransmitter fungieren. Sie besitzen eine schmerzstillende und stimmungsaufhellende Wirkung und werden umgangssprachlich „Glückshormone“ genannt. Die Freisetzung von Endorphinen ist mit positiven Aktivitäten wie Bewegung, Lachen und Liebe eng verbunden. Hier spielt Licht wahrscheinlich eher eine vermittelnde Rolle. Bei schönem Wetter und gutem Licht ist die Stimmung besser, wir sind aktiver und es geht uns besser.

Lichtmangel Vitamin D: Wie wichtig Tageslicht für unsere Gesundheit ist

Tageslicht wird auch mit dem für uns lebensnotwendigen Vitamin D in Verbindung gebracht.

Ganz genau, denn durch Tageslicht findet eine Vitamin-D-Synthese in unserem Körper statt. Wenn die UV-B-Strahlen der Sonne auf unsere Haut treffen, wird 7-Dehydrocholesterin, ein Vorläufer von Vitamin D, in Vitamin D3 (Cholecalciferol) umgewandelt. Dieses wird dann in der Leber und den Nieren in die aktive Form von Vitamin D (Calcitriol) transformiert. Vitamin D ist entscheidend für die Kalziumaufnahme im Darm und spielt eine wichtige Rolle für die Knochengesundheit und das Immunsystem. Darüber hinaus ist Vitamin D an weiteren Stoffwechselvorgängen, bei der Bildung von Proteinen beziehungsweise der Steuerung einer Vielzahl von Genen beteiligt. Bis zu 90% des Vitamins bildet der Körper selbst, über die Ernährung werden nur 10-20% des Vitamins aufgenommen. Dabei ist jedoch zwingend ein Aufenthalt im Freien nötig.

Welche Rolle spielt Vitamin D für die psychische Gesundheit? 

Vitamin D beeinflusst die Produktion und Funktion von Neurotransmittern wie Serotonin und Dopamin, die maßgeblich für die Regulation der Stimmung verantwortlich sind. Vitamin D ist wichtig für die Aufrechterhaltung der kognitiven Funktionen im Alter und somit für die längere Selbstständigkeit und Lebensqualität. Auch bei der Stress-Regulation ist Vitamin D beteiligt. Vitamin D hat entzündungshemmende Eigenschaften und stärkt das Immunsystem, was indirekt das psychische Wohlbefinden beeinflussen kann. Denn chronische Entzündungen und Infektionen stehen im Verdacht für die Entstehung psychischer Störungen mitverantwortlich zu sein. Außerdem wird auch die Produktion des Schlafhormons Melatonin durch Vitamin D beeinflusst, was sich wiederum positiv auf unseren Schlaf-Wach-Zyklus auswirkt. Grundsätzlich kann gesagt werden: Ein stabiler Melatonin-Cortisol-Rhythmus reduziert Stress und verbessert die allgemeine Stressbewältigung.

Lichtmangel im Winter: Wenn dunkle Tage auf die Seele schlagen

Gibt es Unterschiede in der Wirkung von Tageslicht je nach Jahreszeit oder geografischer Lage? 

Ja, die gibt es. In den Wintermonaten sind die Tage kürzer und die Intensität des Sonnenlichts geringer, was zu saisonalen affektiven Störungen, so genannten Winterdepressionen führen kann. Im Sommer ist es genau umgekehrt, Serotonin- und Vitamin-D-Spiegel steigen wieder an. Und auch geografisch gesehen gibt es Unterschiede, denn in den höheren Breitengraden gibt es größere saisonale Schwankungen in der Tageslänge. 

Sehr spannend finde ich auch Folgendes: Eine Studie zeigt, dass sogar Börsengänge von Photoperioden, also der Abhängigkeit physiologischer Reaktionen von der relativen Länge von Tag und Nacht, beeinflusst werden können. Saisonale Stimmungen beeinflussen kurz- und langfristige IPO-Performance erheblich: Die Untersuchung der ersten Handelstage von IPOs (Initial Public Offering) zeigt, dass Aktien, die in kurzen, abnehmenden Photoperioden (d.h. Tagen mit deprimierenden Tageslichtverhältnissen) emittiert werden, kurzfristig niedrigere Renditen erzielen als Aktien, die in langen, ansteigenden Photoperioden (d.h. Tagen mit guter Stimmung) emittiert werden. Die Unterschiede in der Anfangsrendite liegen bei 5-10%. Auch längerfristig lassen sich Unterschiede beobachten. 

Depression durch Lichtmangel: Was hilft bei saisonalen Störungen?

Sie haben saisonal bedingte affektive Störungen erwähnt. Wie können diese gelindert werden? Kann ihnen auch direkt vorgebeugt werden?

Zur Behandlung depressiver Störungen wird grundsätzlich empfohlen, draußen in der Natur spazieren zu gehen. Es wird davon ausgegangen, dass täglich mindestens 30 Minuten notwendig sind.
 

Übrigens: Bei leichten und mittelgradigen Depressionen wirkt positive Aktivierung durch Bewegung an der frischen Luft genauso gut, wie die Medikamentengabe allein, aber eben ohne Nebenwirkungen. Sind die saisonalen affektiven Störungen und depressiven Verstimmungen bereits vorhanden, wird zur Behandlung tatsächlich oft Licht genutzt, welches allerdings weder Ultraviolettstrahlen oder Infrarotlicht enthält. Die Exposition mit hellem Licht von 2.500-10.000 Lux kann saisonal bedingte Symptome wie niedergeschlagene Stimmung und Müdigkeit lindern. Dabei werden die Betroffenen dem Licht circa 30 Minuten täglich ausgesetzt. Untersuchungen zeigen, dass die Exposition in den frühen Tagesstunden effektiver ist. Vermutlich, weil dies dem natürlichen circadianem Rhythmus entspricht. 

Natürlich vs. künstlich: Warum Tageslicht Lampen in den Schatten stellt

Wie unterscheidet sich die Wirkung von natürlichem Tageslicht, im Vergleich zu künstlichem Licht, auf die psychische Gesundheit?

Natürliches Tageslicht ist dynamisch und die "Farbtemperatur" verändert sich, wie oben bereits erwähnt, im Laufe des Tages: morgens gegen neun Uhr sind es rund 4500 Kelvin (K), von elf Uhr an mehr als 6500 K. Nachmittags sinkt die Farbtemperatur dann wieder. Die übliche Beleuchtung von Großraumbüros und Fabrikhallen erreicht 2700 K oder 4000 K (Neonlampen). Weder die Farbtemperaturen noch die Intensität des natürlichen Sonnenlichts werden erreicht. Insbesondere Energiesparlampen werden als nicht hell genug empfunden. So gesehen wird unser Körper auf die Ruhe eingestellt, was sich sowohl auf die Stimmung, als auch Produktivität auswirken kann.

Wer viel künstlichem Licht ausgesetzt ist, ist logischerweise auch eher wenig draußen. Ganz besonders merken wir das in den Jahreszeiten mit kürzeren Tagen. Da geht man im Dunkeln zur Arbeit, verbringt den ganzen Tag in künstlichem Licht und geht im Dunkeln nach Hause. Das kann man fast schon als psychischen Winterschlaf bezeichnen. Es ist auch unheimlich schwer, sich nach der Arbeit nochmal aufzuraffen und etwas Aktives zu tun. Im Sommer, wenn die Tage länger sind, ist auch die Exposition mit dem Tageslicht gegeben.

Lichtmangel im Alltag: Wenn zu wenig Tageslicht zur Krankheit wird

Sie haben Großraumbüros und Fabrikhallen als Arbeitsplätze angesprochen. Welche Auswirkungen hat die Architektur von Arbeits- oder Wohnräumen auf die allgemeine Stimmung und Produktivität der Arbeitnehmer bzw. Bewohner, insbesondere im Hinblick auf die Tageslichtnutzung? 

Es gibt ein Phänomen, das Sick-Building Syndrom genannt wird. Darunter ist der Begriff „Gebäudekrankheit“ zu verstehen, welcher unspezifische Beschwerden oder Symptome beschreibt, die nach längerem Aufenthalt in einem Gebäude auftreten. Als auslösende Faktoren werden schlechte Luftqualität aufgrund mangelnder Belüftung, Probleme mit Luftfeuchtigkeit aber auch fehlendes oder unzureichendes Tageslicht genannt. Die Symptome sind in der Regel subjektiv und bessern sich nach dem Verlassen des Gebäudes. Das Syndrom ist von „Building Related Illness“ abzugrenzen, bei der allergene, mikrobielle oder chemische Belastungen objektiv nachweisliche Ursachen für die Entwicklung gebäudebezogener Erkrankungen sind.

Unzureichende Tageslichtexposition kann also ganz klar zu einem schlechten psychischen Wohlbefinden, bis hin zur Entwicklung psychischer Störungen führen.

Des Weiteren zeigen Studien, dass die Menge des Tageslichts die thermische Wahrnehmung der Menschen beeinflusst, was zu einem modusübergreifenden Effekt führt. Dabei bewirkt eine niedrige Tageslichtbeleuchtungsstärke eine weniger komfortable und weniger akzeptable thermische Umgebung bei kalten Bedingungen und eine komfortablere bei warmen Bedingungen. Dieser Effekt zeigt, dass Tageslicht auf die thermische Behaglichkeit Einfluss nimmt.

Architektur gegen Lichtmangel: Wie Gebäude unsere Gesundheit stärken

Welche architektonischen Elemente in Gebäuden können Ihrer Meinung nach helfen, den Einfluss von Tageslicht auf das psychische Wohlbefinden zu maximieren? 

Hier kann ich ganz klar sagen: Lichteinfall maximieren und Ausblicke nach draußen fördern. Oberlichter und Lichtschächte einplanen, die für gleichmäßige Lichtverteilung sorgen. Lichtdurchlässigkeit zwischen den Räumen gewährleisten, um den Innenraum heller und freundlicher zu machen. Weitere Gestaltungselemente sind helle, freundliche Farben, reflektierende, nicht blendende Oberflächen, flexible Grundrisse, die Licht ins Gebäude leiten und verteilen.

Anpassung der künstlichen Beleuchtung an die Tageslichtverhältnisse. Verbindung zur Natur schaffen, Biophilie-Hypothese ist hier das Stichwort, also das Bedürfnis des Menschen eine Verbindung, sowohl mit anderen Lebensformen wie Tieren und Pflanzen, als auch zu Landschaften einzugehen. Bei einer europäischen Umfrage aus dem Jahr 2023 wurde neben der Schlafqualität der Kontakt zur Natur und grünen Räumen als der Hauptfaktor für die psychische Gesundheit am häufigsten genannt.

Jetzt LAMILUX Tageslichtsysteme kennenlernen!

Lichtmangel Auswirkungen in Kliniken: Gesund werden mit natürlichem Licht

Gerade in Gesundheitseinrichtungen sind diese Elemente essenziell.

Absolut! Untersuchungen zeigen, dass in den Kliniken, die solche Elemente berücksichtigen, Patienten besser und schneller genesen als in den klassischen funktionellen Gebäuden. Ulrich et al. 2008 und Huisman et al. 2012 haben über die Gestaltung der Krankenhäuser und die Auswirkung auf die Genesung der Patient*innen geforscht. Berücksichtigung von Tageslicht und angemessener Beleuchtung hatte sich positiv auf die Schlafqualität der Patientinnen und Patienten ausgewirkt. Darüber hinaus konnte Reduktion von Schmerzen beobachtet werden. Gute Beleuchtung hatte antidepressive Wirkung, was sich in der verkürzten Krankenhausaufenthaltsdauer zeigte. Insbesondere das morgendliche Licht wirkte sich positiv aus. Zudem reduzierte angemessene Beleuchtung die Medikationsfehler des Personals. Wurden Patientinnen und Patienten in die Lage versetzt, Aspekte wie Bettposition, Licht und Raumklima selbst zu regulieren, erhöhte dies das Gefühl von Kontrolle, was sich positiv auf Angst und Stress auswirkte.

Zwei Personen in weißer Kleidung gehen durch eine lichtdurchflutete Industriehalle mit Glasdach.

Heilende Architektur

Tageslicht fördert die Genesung und unterstützt unsere Gesundheit. Expertin Tanja C. Vollmer erklärt, was sich hinter der heilenden Architektur versteckt und wie wir Tageslicht für unseren Körper und die Psyche nutzen können.

Mehr über heilende Architektur!

Tageslicht als Teil einer gesunden Lebensweise

Was wünschen Sie sich als Psychologin im Hinblick auf die Nutzung von natürlichem Tageslicht in Gebäuden für die Zukunft? 

Ich wünsche mir ein gesundheitsorientiertes und nicht nur zweckgebundenes Design der Gebäude bzw. der Arbeits- und Wohnräume. Immerhin verbringen Menschen viel Zeit in den Innenräumen. Tageslicht und Grün sollen mehr Einzug in das Design erfahren, um das Wohlbefinden und somit auch die Arbeitsproduktivität zu steigern. Es wird versucht über künstliches Licht das Wohlbefinden zu steigern. Wie bereits ausgeführt, ist es biologisch gesehen aber nicht genug. Auch Anpassungen der Unternehmenskultur im Sinne des betrieblichen Gesundheitsmanagements sind notwendig. Ich finde es sollte mehr gefördert werden, dass Mitarbeiter*innen nach Möglichkeit die Pausen draußen verbringen können. Es sollten Sitzgelegenheiten geschaffen werden, um Mahlzeiten, bei jedem Wetter, nach Wunsch im Freien einnehmen zu können, so dass Tageslicht „getankt“ werden kann. Auch bewegte Pausen in der Natur wären gut.